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Raymond SCHINTGEN

Seit Ende April ist Raymond Schintgen der Vorsitzende der Association nationale des Victimes de la Route AVR. Vor 26 Jahren, auf dem Weg zur Schule, hatte R. Schintgen einen schweren Verkehrsunfall, damals war er 18 Jahre alt. Seit dem Tag ist er querschnittgelähmt und bewegt sich im Rollstuhl. Im Rahmen des internationalen Tages der Menschen mit Behinderung haben wir Herrn Schintgen zu aktuellen Themen befragt.

AVR: H. Schintgen, fühlen Sie sich im Alltag in Luxemburg behindert?

R. Schintgen: Was die Infrastrukturen in diesem Land angehen, so erlebe ich täglich, wenn ich mich draussen bewege, dass ich in meiner Mobilität sehr eingeschränkt werde. Dagegen fühle ich mich als Mensch angenommen. Es hat natürlich auch mit der eigenen Einstellung und dem eigenen Verhalten zu tun, ob man in dieser Gesellschaft dazugehört.

AVR: Was sollte sich schnellstens ändern, wo sollte man den Hebel ansetzen?

R. Schintgen: Die bestehende Gesetzgebung sollte schnellstens in die Realität umgesetzt werden, dazu gehört vor allem auch die UN-Konvention für die Rechte der Menschen mit einer Behinderung, welche unser Staat bereits 2011 ratifiziert hat. Ich warte ungeduldig auf das neue Gesetz zur Barrierefreiheit, von dem ich mir sehr grosse Fortschritte verspreche, was die Lebensqualität und die Beteiligung der betroffenen Personen angeht.

AVR: Sie sind ein vielseitig aktiver Mensch: neben Ihrer Arbeit sind Sie Gemeinderat in Junglinster, aktiver Sportler bei Lux-Rollers sowie stellvertretender Präsident und Sie haben den Vorsitz der Association nationale des Victimes de la Route AVR übernommen. Was motiviert Sie zu diesen verantwortungsvollen und ehrenamtlichen Aufgaben?

R. Schintgen: Diese verschiedenen Aufgaben sind auch Lebensetappen. Basketballspieler der Lux-Rollers haben mich 1989 auf der Schueberfoer angesprochen, das war der Beginn meiner aktiven Mitgliedschaft in diesem Verein, der über das Sportliche hinaus sehr wichtig für mich ist und war, es ist eine Austauschgruppe für viele praktische Aspekte des Lebens wie Mobilität, Gesundheit, Autonomie…etc.

In der Gemeinde Junglinster bin ich lange Jahre Mitglied der Arbeitskommission „Accessibilité“ gewesen. Ich bin anfangs nur an räumliche Barrieren gestossen und habe sehr schnell begriffen, dass ich meinen Beitrag zu leisten habe, damit meine Gemeinde barrierefreier wird, was ja jetzt in vieler Hinsicht der Fall ist. Somit war ich bei der letzten Wahl Kandidat und wurde in den Gemeinderat gewählt.

Bei der Association nationale des Victimes de la Route AVR bin ich Vorstandsmitglied seit 3 Jahren: dieser Verein war in meinen Augen bereits gut aufgestellt. Bedingt durch die eigene Lebensgeschichte habe ich gerne Aufgaben übernommen um einerseits das Leben der Verkehrsopfer zu verbessern und mich andererseits für eine bessere Verkehrssicherung stark zu machen. Das nationale Denkmal für Verkehrsopfer liegt in der Gemeinde Junglinster, sozusagen vor meiner Haustür und es brennt mir unter den Nägeln, diesen Ort der Besinnung und des Gedenkens fertig zu stellen. Somit vernetze ich meine Aufgaben.

AVR: Welche kurz- und langfristigen Ziele streben Sie an ?

R.Schintgen: Als Präsident der AVR setze ich mich ein, dass die Politik der „Vision Zéro“, mit ihren 28 Massnahmen, ausgearbeitet unter Minister François Bausch, schnellstens Realität wird, dies in Hinsicht auf die Strasseninfrastruktur als auch in Bezug auf das Verhalten. Ebenso warte ich auf eine schnelle Umsetzung der UN-Konvention in unserem Land: Verkehrsopfer, die mit Einschränkungen leben müssen und andere betroffene Menschen dürfen nicht durch zusätzliche Hindernisse eingeschränkt oder ausgeschlossen bleiben.

AVR: Mobilität und Behinderung sind oft verknüpft, oder anders ausgedrückt, Behinderung entsteht sehr oft durch Verkehrsunfälle, die Zahl der jungen Menschen ist überaus hoch. Welche Erwartungen haben Sie an die nationale Politik ?

R.Schintgen: Ich finde, dass es zu wenig Chancengleichheit gibt zwischen behinderten und nicht behinderten Bürgern. Dabei denke ich vor allen an den Arbeitsmarkt und den Wohnungsmarkt. Wie soll man eine Wohnung finanzieren, wenn man in einer Behindertenwerkstatt arbeitet und den Mindestlohn verdient ? Es reicht eigentlich nicht für eine Mietwohnung, eine eigene Wohnung bleibt ein Traum. Aus diesem Grund leben viele Menschen mit Einschränkungen in einem Wohnheim und nicht im Eigenheim. Wieso schaffen Menschen mit Einschränkungen es nicht auf den Arbeitsmarkt ? Wieso haben die Einschränkungen einen höheren Stellenwert als die Fähigkeiten ? Es gibt Quoten, aber sie werden total missachtet, die Betriebe zahlen keine Strafen. Wieso ? Dieses Geld könnte in positive Arbeitsmassnahmen fliessen wie Arbeitscoaching, Begleitung des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers…etc. Die Umsetzung der UN-Konvention ist mir so wichtig, weil alle Menschen in allen Lebensbereichen gleich sein müssten, und dies nicht nur auf dem Papier.

AVR: Sie sind ein überzeugter Humanist, Sie lassen keine Gelegenheit aus zu unterstreichen, dass der Mensch im Mittelpunkt unseres Handelns zu stehen hat. In diesem Sinne, welche Gedanken möchten Sie am heutigen 3. Dezember vermitteln?

R. Schintgen: Respekt im Umgang scheint mir sehr wichtig zu sein, kein Vordrängeln und sich in den Mittelpunkt stellen, im Leben sowie auf der Strasse, viele Verkehrsunfälle würden dadurch vermieden werden. Een matt dem aneren an net géint den aneren, op der Strooss ewéi am Liewen !

AVR: Wir bedanken und uns ganz herzlich für dieses Gespräch !

Durch das Gespräch führte Marie-Paule Max von der AVR


Raymond SCHINTGEN

22/05/1989 07:30h Raymond SCHINTGEN 18 Joer, fueren doheem fort fir an d‘Schoul.

7:35h fueren eng Streck déi ech gutt kennen obwuel d‘Strooss an engem miserabelen

Zoustand ass, dat ass schons zënter Joren bekannt.

07:40h fueren tëschent Gonnereng an Roudemer duerch de Bësch. Et kommen mir e pur Bekannter entgéint, wénken.

Bei engem Auto, den mir entgéint kënnt, haalen ech mech méi an de Revair. Mäin Auto brécht hannen aus, iwerschléiht sech, den Dag vum Auto schléiht mir op den Kapp.

07:45h Ech wëllt aus dem Auto klammen, du hunn ech kee Gefill méi an de Been. Ech kann meng Been net méi beweegen.
An der Klinik kënnt den Hummer. Den Dokter seet: „du kanns ni méi goen.“

Meng Zukunft ass de Rollstull.

Fir mech an meng Famill brëcht d‘Welt zesummen.

No 6 Méint kommen ech Heem. Do kënnt dat grousst Lach.

Mat allem onzefridden, ass et fir mech a meng Emwelt net ganz einfach.

Well ech gutt Kollegen hun an d‘Ennerstëtzung vun menger Famil, hunn ech mech nees gefaangen.

Een decken Fouss béi Këscht hëlleft och fir aus dem dëschteren Lach eraus ze kommen.

Op der Schouerberfouer 1989 kënnt den éischten Liichtbléck. E Member vun de Lux Rollers freet mech, ob ech net wéilt matt hinnen Basket spillen.

Ech ka just soe, dass Lux Rollers fir mech 1989 dat war, wat den AVR haut fir aner Leit ass: mir deelen déi selwecht Problemer.

No enger langer Zäit hunn ech awer och verstan, dass een sech muss anescht engagéieren, siew dat am Benevolat oder op politeschem Plang. Zënter 2011 sinn ech zu Jonglënster am Gemengerot an zënter Abrël 2013 am Conseil d’Administration vum AVR.

Ech schaffen am AVR matt, well et nach ëmmer Stroossen hei am Land gëtt, déi an engem miserabelen Zoustand sinn, wéi deemols bei menger Strooss. Et gesäit esou aus, dass et muss Blesséierter oder Doudeger ginn, éiert eppes geschitt.

Januar 2014